Es geht in die Stadt die niemals stillsteht, in der das Geld regiert und die Republikaner niemals eine Chance haben. Die Stadt aller Städte, New York.
Nach einem kurzen, forschen Verhör am Grenzübergang sind wir auch schon in den USA und dem Bundesstaat New York. Kurz darauf wird die Bebauung dichter, und schließlich sind wir mitten drin im Verkehrschaos von New York City. Die Fahrt nach Brooklyn ist tatsächlich recht anstrengend, die Straßen scheinen die Belastungsgrenze lange überschritten zu haben und die Fahrstreifen sind gerade breit genug für unseren Wagen, während jeder LKW uns bedrohlich nah zu kommen scheint. In Brooklyn finden wir unglaublicherweise einen kostenlosen Parkplatz direkt vor der Tür von Dans und Austins Wohnung, bei denen wir die nächsten Tage Unterschlupf finden. Hier gibt es zur Einstimmung direkt den Sonnenuntergang über der Skyline von Manhatten von der Dachterrasse zu bestaunen. New York gefällt uns jetzt schon.
Greenpoint liegt im Norden Brooklyns und ist noch nicht ganz so gehypt wie das benachbarte Williamsburg. Die Gegend in der unsere beiden Gastgeber wohnen ist das polnische Viertel, in das sich aber doch auch schon das ein oder andere recht hippe Café mischt.
An der Wasserkante Brooklyns hat die Stadt mittlerweile erfolgreich alle öffentlichen Liegenschaften- und Brachflächen erfolgreich privatisiert. Stadtentwicklung orientiert sich somit fast ausschließlich an ökonomischen Maximen und wird nur noch marginal von städtischen Rahmenplanungen gesteuert. Umso erstaunlicher, dass die bauliche Entwicklung am Wasser mit direktem Blick auf Manhattan noch lange nicht abgeschlossen ist und viele Bereiche noch nach alter Hafennutzung aussehen oder unbebaut sind. An einem kleinen Markt geben wir uns den lokalen Delikatessen hin, bevor wir über die Manhattan Bridge auf die andere Flussseite und die gleichnamige Insel schlendern.
Dan weiß dank seines Studiums, Jobs und der Zeit, die er schon in NY lebt wirklich viel über die Stadt, über die Stadtentwicklung, und macht sich hervorragend als City Guide. Auf der Highline, dem alten, stillgelegten Bahnviadukt, das zu einem Park umgewandelt wurde laufen wir in das Häusermeer.
Wir hatten auch in Deutschland schon einiges über das Projekt gehört, und es auch häufiger als Praxisbeispiel angeführt. Das ganze ist als Touristenmagnet ziemlich ausgeartet, und die Idee, den Anwohnern des vor nicht allzu langer Zeit noch mittelmäßig attraktiven Stadtteils einen Park zu geben, der den Mangel an Grünflächen auf kleinstem Raum mindern kann, ist mittlerweile umgeschlagen. Nun ist die Highline Anziehungspunkt für Projektentwickler, und was noch an “erschwinglichen” Flächen vorhanden ist verschwindet zu Gunsten von Luxusappartments. Deren Bewohner nehmen es wohl gern in Kauf, dass ihnen die vielen Tausend Besucher der Highline perfekt ins Schlafzimmer schauen können.
Der Park verläuft von der 13th Street über 17 Blocks noch Norden und endet derzeit an einem großen Umschlagbahnhof, wo aber schon an einer Verlängerung gebaut wird.
Generell wird in New York unfassbar viel gebaut. Überall schießen neue Hochhäuser aus dem Boden, und viele sind Wohnungen im Luxussegment. Dabei warten gleichzeitig 400.000 Menschen auf eine erschwingliche Wohnung. Leider ist das Thema Sozialer Wohnungsbau eher ein Thema aus der Vergangenheit und die großen, vorhandenen Wohnungskomplexe in heute attraktiver Lage gehen von der öffentlichen in private Hände.
Den Nachmittag über schlendern wir durch Midtown Manhatten, drängeln uns durch die Massen am Times Square, und machen uns abends auf den Weg ins MoMa, dem Museum of Modern Arts, das freitags seine Türen kostenfrei öffnet. Entsprechend voll ist es dann auch aber die Sammlung ist beeindruckend und auf der Architekturetage werden die für uns eher unbekannten Modelle wie nicht anders erwartet von Dan mit Fachwissen unterfüttert.
Auch mittlerweile geschlossen ist die Lücke, welche der Zusammensturz der Twin Tower in New York hinterlassen hatte. Neben zwei Hochhäusern erinnern große Löcher im Boden an den Grundriss der Zwillingstürme. Von allen Seiten fließt Wasser in das schwarzes Loch und Security achten wie die Schießhunde darauf, dass keine Kamera auf dem Geländer abgestellt wird oder sich Menschen anders ungebührlich verhalten. Offenbar noch immer ein sehr emotionaler Ort vieler.
Auch wenn wir das Gefühl haben, durch die Medien gut über die Hintergründe informiert worden zu sein, besuchen wir das 9/11 Memorial, welches sich einige Stockwerke unter der Erde befindet. Verbogene Stahlträger zeugen von den ungeheuren Kräften und Temperaturen, welche zu dem Einsturz der Gebäude geführt hatten. Aber vor allem die vielen Augenzeugenberichte auf Film und Ton, welche den Tag und die Stimmung in der Stadt zu dieser Zeit beschreiben sind sehr interessant und berührend. Zu meiner Überraschung wird die Ausstellung darüberhinaus kaum für übertriebenen Populismus genutzt.
Um die Stadt auch von der Wasserseite zu sehen und der doch recht kleinen Freiheitsstatue etwas näher zu kommen, nehmen wir die kostenfreie Staten Island Fähre, die uns stark an die Hamburger Line 62 erinnert. Einmal zur Endstation wo alle Passagiere zum Aussteigen genötigt werden und direkt wieder rauf auf die Fähre und zurück nach Manhattan.
Halloween wird in den USA traditionell etwas exzessiver gefeiert als wir es von zu Hause gewohnt sind. Das für uns etwas fremde Fest schauen wir uns in Manhatten an, wo sich die verkleideten Massen durch die Straßen bewegen werden. In einem Perückenladen finden wir adäquate Kopfbedeckungen und mischen uns unter das bunte Volk.
Etwas östlich von Manhattan liegt fast vergessen liegt das Gelände der Weltausstellung von 1964. Wir machen einen Ausflug nach Queens, wo das Gelände heute in den Flushing-Meadows-Park eingegliedert ist. Die vierzig Jahre alten Exponate passen sich gut in den Park ein und rosten vor sich hin. Insbesondere die Worlds Fair Observation Towers sollten den allermeisten unserer Generation ein Begriff sein. Im Film Men in Black versucht ein schleimiges Alienmonster in den UFO-Tellern der Aussichtstürme die Erde zu verlassen, landet kurz darauf allerdings wieder unsanft nach einem Crash mit der “Unisphere”, einer zwölfstöckigen Weltkugel.
Mehr Zeit verbringen wir aber im Central Park New Yorks, für dessen Durchquerung man wegen seiner schieren Größe schon einen halben Tag einplanen muss. An einigen Stellen ragt noch der rohe Fels aus dem Boden, aus welchem einmal ein Großteil der Insel bestanden haben muss. In einem Teich schwimmen Schildkröten, in einem anderen See sprüht eine Fontaine fast so schön wie auf der Alster und die Menschen joggen drumherum. Einige Straßenkünstler-Gangs begeistern die Massen mit waghalsigen Salti und anderen Sperenzchen und ziehen den Touristen nebenbei mit routinierter Dreistigkeit das Geld aus der Tasche. Wir prellen die Zeche und schlendern weiter bis uns die Füße weh tun. Als wir uns dann in Korea Town in Manhattan ein Sandwich kaufen staunen wir nicht schlecht. Mit vier Scheiben Wurst und vier Scheiben Käse ist definitiv die Sättigungsbeilage zum Hauptbestandteil der Mahlzeit geworden. Wir kaufen uns ein zweites Brötchen und machen zwei Belegte draus. Kein Wunder, dass in NY mittlerweile jeder zweite unter Fettleibigkeit leidet.
Selbstverständlich wird auch das New Yorker Nachtleben bei unserem Besuch nicht vernachlässigt. Es gibt einige nette Spelunken in der Stadt, in denen wir uns gemeinsam mit Ole und seinen Compadres aus der Bronx sowie Dan und Austin und am letzten Abend zum Barbeque in der angesagten “Fetten Sau” auch nochmal mit dem alten Nordlicht David, vergnügen. Mit Ole waren wir schon gemeinsam durch Taiwan gereist. Er hat sich zwischenzeitlich frisch verliebt und in der Bronx niedergelassen, wo er sich pudelwohl fühlt.
Am Ende gibt es nochmal einen schönen Blick vom 86. Stockwerk des Empire State Buildings. Die Stadt hat uns in der einen Woche sehr in ihren Bann gezogen und wir können die Faszination, die sie auf die Menschen ausübt nun gut verstehen. Trotz der Dichte der Stadt und der manchmal bedrückenden Höhe der Gebäude finden hier viele ihren Platz und investieren viel um sich dieses Leben ermöglichen zu können. Wir zumindest haben gefühlt die Hälfte unseres Reisebudgets hier gelassen und fahren so mit viel weniger finanziellem Ballast an der Ostküste Richtung Washington D.C.