Reisende Seelen am Kapp Reinga

Zum wiederholten Mal haben wir ordentlich die Hosen voll als wir morgens abfahrbereit den Schlüssel im Zündschloss umdrehen, denn die Motorhaube ist noch immer bombenfest verschlossen und lässt sich partout nicht öffnen. Dank unser strengen Stromsparmaßnahmen startet der Wagen aber tadellos und wir treten die letzte Etappe zum Kapp an. 

Unterwegs finden wir tatsächlich eine Werkstatt, aber die werten Herren sind in der Mittagspause. Nach einigem hin- und herdiskutieren entscheiden wir uns für direktes Weiterfahren, und gegen eine halbe Stunde warten. Das führt zu konstanter wird-das-Auto-auch-anspringen?-Sorge. Auch eine weitere winzige Werkstatt unterwegs kann uns die Haube nicht öffnen, obwohl sehr ambitioniert mit einem riesigen Schraubenzieher in den Lüftungsschlitzen an der Motorhaube herumgewirtschaftet wird. Also geht es weiter, immer schön hochtourig gefahren, um der Lichtmaschine etwas nachzuhelfen, die auch nicht von der ganz fitten Truppe ist. Die Landschaft wird karger, buschige Vegetation löst die satten Weiden und Wiesen ab, und die Aussichten von der Straße aus sind wirklich großartig. Die perfekte Kulisse für`s Roadtripfeeling!

Cape Reinga ist eigentlich kein Kapp, jedenfalls nicht im Sinne eines an äußerster Spitze einer Landmasse gelegenen Punktes. Der nördlichste Punkt Neuseelands, die Surville Cliffs am North Cape, liegen 30 Kilometer weiter östlich. Aber hier am Cape Reinga treffen das Tasmanische Meer und der Pazifische Ozean aufeinander, und vermutlich kommt die Bezeichnung eher aus der Bedeutung für die Seefahrt, als von der Geografie. Der Ort ist außerdem ein heiliger Ort in der Kultur der Maori. Hier treten die Seelen ihre Reise nach Hawaiki, in das Reich der Toten an. Tatsächlich bedeutet “Reinga” in etwa “Absprungplatz”. Daher ist auch das Essen und Trinken am Kapp untersagt. Hoffentlich haben wir also mit unserer Brotzeit auf dem Parkplatz niemandem auf die Füße getreten… Aus einer Felswand ragt ein einzelner Baum, auf wundersame Weise schafft er es, sich in der kargen Felswand zu halten. Auch dieser Baum spielt in der Maorilegende eine Rolle, seine Wurzeln dienen als Rampe für die Seelen.

Den Anfang des Pfades, der zum Kapp führt, prägt ein großes Tor. Beim Durchqueren ertönt eine Musik, die klingt als würde der Wind sie erzeugen. Die übrige Szenerie erinnert mich stark an das Kapp der Guten Hoffnung in Südafrika, die niedrige, buschige Vegetation, die an den starken Wind und den kargen Felsboden angepasst ist, sieht hier ganz ähnlich aus, zumindest für Botaniklaien wie uns.

Vorn an der Spitze kann man aufs weite Meer schauen, und sich eigentlich nicht wirklich vorstellen, wie weit das nächste Land entfern ist, auch wenn einem mitgeteilt ist, wie viele tausend Kilometer es zu diversen Orten auf der Welt sind. Wir verschieben unseren Werkstattbesuch noch einmal und nächtigen auf einem Campingplatz nahe des Kapps, der über eine steile Schotterpiste zu erreichen ist. Hier stehen wir direkt an einer Bucht mit Wasserblick, und bewundern vom benachbarten Berg den Sonnenuntergang.

 

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