Mit Ayako in der Kaiserstadt Nara

Nara war zwischen 710 und 784 Hauptstadt Japans, bevor diese ins nahe gelegene Kyoto verlegt wurde. Heute ist Feiertag, Beginn der sogenannten „Goldenen Woche“, vier aufeinander folgende Feiertage, die das ganze Land in Ferienstimmung versetzen, und daher ist auch in Nara Volksfeststimmung: Die Straßen sind gut gefüllt mit (einheimischen) Touristen, und am Straßenrand reihen sich die Fressbuden aneinander.

Nara ist die Heimatstadt von Ayako, meiner damaligen Mitbewohnerin aus der Spaldingstraße, und ihre Eltern haben uns am Abend zum Essen eingeladen. Da wir uns vorher noch die Stadt anschauen möchten, fahren wir schon am Vormittag los. Die Stadt ist nur etwa eine Zugstunde entfernt von Osaka und eignet sich so hervorragend für einen Tagesausflug. Wir laufen in Richtung der historischen Tempelanlagen, von denen viele von der UNESCO zum Weltkulturerbe deklariert wurden. Nara wird oft als eine Alternative zum vielbesuchten Kyoto gewählt, um die Touristenmassen etwas zu umgehen. Und tatsächlich ist es sogar an einem Feiertag ganz erträglich, was die Massen betrifft.

Vom Bahnhof kommend führt die Straße an großen Wiesen vorbei, und hier leben kleine Sikahirsche, die man mit „Hirschkeksen“, die am Straßenrand verkauft werden füttern kann. So sind die Tiere so zahm geworden, dass sie sich auch ohne Probleme streicheln lassen. Und einige haben sogar so gute Manieren, dass sie sich für ihren Keks mit einer Verbeugung bedanken!

Der Todai-ji Tempel ist in einer schönen, streng symmetrischen Anlage positioniert. Alle Bauten sind aus Holz gefertigt und sehr kunstvoll ausgestaltet. Der größte Indoor-Budda Japans prägt das Tempelinnere und ist ebenfalls aus Holz gefertigt. Aber es ist vor allem die schöne Holzarchitektur, welche die Stimmung des Tempels dominiert. Wir haben den direkten Weg in den Tempel gewählt, blöd nur das dies der Ausgang war, so laufen wir nun gegen den Strom. Dies ist auch der Grund weshalb uns die etwa 30m lange Schlange von Menschen erst nicht auffällt, die alle an einem Holzpfeiler anstehen. An dem Eisensockel, der Statik sicherlich nicht ganz zuträglich, hat der Pfeiler ein Loch. Durch dieses kriechen die Menschen oder schieben ihre Kinder und Babys hindurch. Den Hintergrund haben wir leider nicht herausgefunden (Ayako: Weißt du mehr?).

Abends geht es in ein kleines Restaurant. Hier sitzt man entweder am Tresen, oder wie wir in einer Nische an einem niedrigen Tisch auf dem Boden. Schuhe werden natürlich ausgezogen! Dann werden nach und nach die verschiedensten Leckereien aufgetischt. Zu jedem Gericht gibt es neue kleine Teller. Anscheinend sind auch Ayako und ihre Eltern jedes mal überrascht, was der nächste Gang ist. Ayako erklärt, dass sie die „Empfehlungen des Hauses“ bestellt haben, und man dann serviert bekommt, was der Koch zu bieten hat. Und bis man Stopp sagt wird immer noch ein Gang gebracht. Ein schönes System, finde ich! Wir lernen auf jeden Fall jede Menge Leckereien kennen, die wir noch nie gesehen haben. Ayakos Eltern sind sehr interessiert und mit ein bisschen Übersetzungshilfe von der Tochter kommen gute Gespräche zusammen.

Ich habe leider während unseres sechsmonatigen Asienaufenthalts keine Sitzposition gefunden, in der ich mich komfortabel und möglichst nah am Tisch befinde. Erneut heißt es also die Beine anwinkeln und weitersuchen. Auf dem Foto sieht man sehr schön, dass sich der Tisch auf halber Schienbeinhöhe befindet.

42-CSC_1048

Abends geht es mit Ayakos Eltern auf kulinarische Reise

Zum Schluss gibt es noch einen Sake, und hierzu bringt der Kellner einen großen Korb voll kleiner Becher, die alle verschieden aussehen, und jeder darf sich einen aussuchen. Niko bekommt einen besonders schönen: Er sieht aus wie ein Kegel, und weil unten eine Spitze ist, kann er den Becher nie abstellen. Immerhin besser als den Becher, der unten ein kleines Loch hat, das man die ganze Zeit zuhalten muss…

Es wird ein langer Abend und als wir uns schließlich auf den Weg zum Bahnhof machen wollen, stellen wir fest, dass die letzte Bahn bereits gefahren ist. Kurzerhand fährt uns Ayakos Vater im Hybridauto aus Nara nach Osaka. In einem unübersichtlichen Moment erwischt er die falsche Spur und wir finden uns als Geisterfahrer auf der Einbahnstraße im Gegenverkehr wieder. Zum Glück ist nicht viel los und ein U-Turn bringt die Situation wieder in Ordnung und uns sicher bis vor die Haustür von Ayakos Apartment.

Unser nächster Kurztrip geht nach Hiroshima.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.